Kurienerzbischof: "Bildungspakt" des Papstes in Österreich umsetzen
Erzbischof Zani referierte bei Wiener Symposium mit 120 Fachleuten über Herausforderungen an katholisches Schulwesen - Heutige Krisen erfordern nicht nur intellektuell ausgerichtete, sondern wertbasierte Bildung
Wien, 29.4.22 (KAP) Der von Papst Franziskus schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Hinblick auf weltweite Herausforderungen geforderte "Globale Bildungspakt" soll auch in Österreich in konkreten Bildungsprojekten umgesetzt werden. Dazu hat Kurienerzbischof Angelo Vincenzo Zani vom Vatikan-Dikasterium für das Bildungswesen bei einem internationalen Symposium in Wien aufgerufen. In seinem Festvortrag am Donnerstagabend im Wiener Erzbischöflichen Palais erinnerte er an das Anliegen des Papstes, Kinder und Jugendliche zur Hauptzielgruppe zu machen: "Wir müssen in junge Menschen investieren, damit sie zu Protagonisten in einer Welt werden, die immer mehr Verantwortung und Beteiligung einfordert", sagte Zani.
"Einer Vision verpflichtet" - unter diesem bezeichnenden Titel widmeten sich Verantwortliche des katholischen Schulwesens am 27. und 28. April in Wien in dem Symposium aktuellen Herausforderungen. 120 Bildungsfachleute aus zwölf europäischen Ländern und aus Übersee, darunter Vertreter des Verbands der europäischen katholischen Schulen (CEEC), nahmen an der Tagung teil. Veranstaltet wurde sie vom Interdiözesanen Amt für Unterricht und Erziehung (IDA), dessen Leiterin Andrea Pinz moderierte. Beim abschließenden Festvortrag Zanis waren auch Österreichs Schulbischof Wilhelm Krautwaschl und Kardinal Christoph Schönborn als Gastgeber im Palais anwesend.
Laut den Worten des Kurienerzbischofs wolle die katholische Kirche einen substanziellen "Beitrag zur Erneuerung der pädagogischen Leidenschaft für die und mit den jüngeren Generationen" leisten. Die Pandemie und jetzt der Krieg in der Ukraine sorgten für einen "Epochenwechsel". Es gelte zu lernen, mit damit verbundenen Ungewissheiten zu leben und auch "den Mut zu haben, negativen Kräften zu widerstehen". Gelingen könne dies durch ein globales "Dorf der Bildung", was laut Zani möglich sei durch eine zusammenhängende und -arbeitende Menschheit mit Führungspersönlichkeiten, die darauf bereits jetzt nicht nur intellektuell, sondern auch ausgestattet mit Werten wie Verantwortungsbewusstsein und Gemeinschaftssinn vorbereitet werden sollten.
Mit "Humanisierung der Bildung" gegen Krisen
Das Vatikan-Dikasterium für das Bildungswesen habe sich im letzten Jahrzehnt mehrfach in verschiedenen Dokumenten mit aktuellen Herausforderungen befasst, informierte der Erzbischof. Er nannte dazu Probleme wie die brüchig gewordene Kommunikation zwischen den Generationen und die Verunsicherung vieler Eltern über ihre Rolle als Erziehende, weiters den voranschreitenden "Transhumanismus" mit dem Ziel, den Menschen etwa mit Biotechnologie zu "verbessern", neue, mit einem Verlust von Geschichtsbewusstsein verbundene aggressive Nationalismen, die gestörte Beziehung zwischen Mensch und Natur bzw. Umwelt und auch die Säkularisierung der westlichen Gesellschaften, die mit einer "Aushöhlung der Grundwerte" verbunden sei. All das erfordere Maßnahmen zu einer "Humanisierung der Bildung", die auch die katholische Kirche ergreifen wolle, versicherte Zani.
Wie der in der Österreichischen Bischofskonferenz für Schulfragen zuständige Grazer Bischof Krautwaschl in seinem Statement versicherte, sind katholische Schulen weder aus- noch abgrenzend, sondern stünden mit ihrem Respekt vor Diversität weltweit allen offen. Leitmotive der auf Basis des christlichen Menschenbildes vermittelten humanistischen Bildung seien "Willkommenskultur und Gastfreundschaft" sowie die Inklusion von Benachteiligten.
Kardinal Schönborn ging in seinen Begrüßungsworten auf den "großen Schock" ein, den der "grausame Krieg" in der Ukraine ausgelöst habe. Dieser sei zugleich eine "Ermutigung" zu christlicher Bildung, die auf Dauer gesehen Prävention und wesentliche Beiträge zu einem gerechten Miteinander in der Gesellschaft leiste.
Folgen aus Missbrauchskrise ziehen
"Die Wahrheit wird euch frei machen": Mit diesem Jesuswort aus dem Johannesevangelium betitelte der deutsche Jesuit und Direktor am Zentrum für Ignatianische Pädagogik, Tobias Zimmermann, seine Ausführungen am Donnerstagnachmittag über die kirchliche Missbrauchskrise und Prävention im Kontext katholischer Privatschulen. (Unter diesen Titel stellte bereits die Österreichische Bischofskonferenz ihre 2016 aktualisierte "Rahmenordnung" gegen Missbrauch aus dem Jahr 2010, Anm.). Der Autor mehrerer Bücher zu pädagogischen, Bildungs- und spirituellen Themen äußerte in seinem Vortrag beim Symposion die Überzeugung, "dass uns ein ernst zu nehmender Schutz der uns in unseren Schulen anvertrauten jungen Menschen ... nur gelingen wird, wenn wir vorbehaltlos die Geschichte sexualisierter Gewalt in unseren katholischen Institutionen aufarbeiten".
Selbstverpflichtungserklärungen, Richtlinien und individuelle Fortbildungen reichten dafür nicht aus, betonte Zimmermann. Präventionsarbeit müsse sich darüber hinaus mit einem institutionellen und konzeptionellen Vermächtnis auseinandersetzen, "das - theologisch gesprochen - von struktureller Sünde geprägt ist". Es gelte die "schwere Bürde des kirchlichen Erbes sexualisierter Gewalt und ihrer Vertuschung" in einer Art zu schultern, die Veränderung ermöglicht. Hilfreich dabei ist nach den Worten des Jesuiten die reichhaltige Tradition eines christlichen Humanismus, auf die Katholische Schulen und katholische Schulbildung zurückgreifen könne. Ein klares christliches Menschenbild könne als Ressource für die Neugestaltung des Bildungsauftrags dienen.
Dass die in Krisenzeiten gesteigerte Vulnerabilität auch Auswirkungen auf das Schulwesen hat, verdeutlichte die an der Katholischen Privat-Universität Linz lehrende Religionspädagogin Helena Stockinger in ihrem Vortrag am Donnerstag. Umso bedeutsamer sei die sensible Wahrnehmung und Thematisierung dieser Verletzlichkeit von Menschen im Schulkontext. Das liegt laut Stockinger keineswegs nur in der Verantwortung katholischer Schulen - dennoch könnten diese aber in ihrem Umgang damit und auch in ihrer Sorge um gerechte Bildungschancen eine Vorbildfunktion einnehmen.
Maria Schelkshorn-Magas, die Leiterin des kirchlichen Wiener Bildungscampus' Friesgasse, informierte über die dort gelebte interkulturelle Vielfalt: Die dortigen vier katholischen Privatschulen von der Primar- bis zur Sekundarstufe II besuchen rund 1.400 Schüler mit mehr als 40 Muttersprachen und 20 verschiedenen Religionen bzw. Konfessionen. Gemäß dem Gründungsauftrag der Schulschwestern Notre Dame (SSND) vor mehr als 160 Jahren, "unsere Gesellschaft durch Bildung positiv zu verändern", sehe die Friesgasse ihre Hauptaufgabe heute darin, "unsere Schülerinnen und Schüler zu dialogfähigen Menschen heranzubilden, die angstfrei mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen umgehen können", sagte Schelkshorn-Magas. Umgesetzt werde dies durch vielfältige Ansätze im interkulturellen und interreligiösen Bereich.
Quelle: kathpress