Bischof Glettler: "In Zeiten des Krieges den Frieden vorbereiten"
Salzburg, 21.9.2022 (KAP) "In Zeiten des Krieges den Frieden vorbereiten." - Unter dieses Motto stellte der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler seinen Impulsvortrag bei der diesjährigen Jahrestagung der Initiative Christlicher Orient (ICO) in Salzburg. Die Tagung im Bildungshaus St. Virgil, die am Dienstag zu Ende ging, stand unter dem Generalthema "Syrien - Wege zum Frieden?!" Bischof Glettler sprach in seinen grundsätzlichen Überlegungen von einem "friedensethischen Dilemma des Verteidigungskrieges". Die Ukraine habe ein Recht darauf, sich zu verteidigen und auch mit Waffen unterstützt zu werden. Aber: "Wir dürfen uns nicht an den Krieg gewöhnen", so Glettler. Die Grundsehnsucht nach dem Frieden dürfe nicht verloren gehen.
Für einen nachhaltigen Frieden brauche es eine permanente Investition in den kulturellen und sozialen Aufbau eines Landes, betonte der Bischof. Scharfe Kritik übte er zugleich an der Waffenindustrie, die angesichts der zahlreichen Kriege in der Welt aktuell eine "fröhliche Hochzeit feiert". Bischof Glettler ist in der österreichischen Bischofskonferenz u.a. für die katholische Friedensbewegung Pax Christi Österreich zuständig ist.
Der Bischof erinnerte in seinem Vortrag auch an seinen Syrien-Besuch im Jahr 2018. Zum einen habe er ein verwüstetes Land erleben müssen, zum anderen habe er aber so viele beeindruckende Menschen kennengelernt, die ihr Land wieder aufbauen wollten und trotz aller Not und Zerstörung mit Zuversicht an ihrer Zukunft und der ihrer Mitmenschen bauten.
Bei der ICO-Tagung wurde neben den Vorträgen und Diskussionen bei einer Vesper und einer Messe für den Frieden in Syrien und auf der ganzen Welt gebetet. Dem Gottesdienst am Dienstag stand der Salzburger Weihbischof Hansjörg Hofer vor. Friede bedeute "liebende Solidarität zwischen Menschen und Völkern, die weltweite Garantie von Menschenrechten und Menschenwürde, die gemeinsame Verantwortung für die Schöpfung und der Friede ist letztlich die schönste Frucht der Gerechtigkeit", zitierte Hofer den austrobrasilianischen Bischof Erwin Kräutler.
Ausländischen Akteure im Syrien-Konflikt
Die Wiener Journalistin und Orient-Expertin Gudrun Harrer ging in ihren Ausführungen u.a. auf die vielen ausländischen Akteure im Syrien-Konflikt ein. Sie verdeutlichte dies u.a. mit einer Aufstellung der ausländischen Militärbasen im Land. So unterhielten die Türkei 114, Russland 83, der Iran 131, die libanesische Hisbollah 116 und die USA 11 Stützpunkte in Syrien. Die Zahlen zeigten das Ausmaß der Komplexität des Konflikts. Letzterer sei von einer extremen Fraktionierung und unzähligen Problemlagen sowie unterschiedlichen Interessen geprägt.
Zwei Beispiele von vielen, die Harrer anführte: Die Türkei fürchte nichts mehr als ein autonomes und stabiles Kurdengebiet im Nordosten Syriens. Um dies zu verhindern, nähere man sich nun sogar wieder der syrischen Regierung an und hoffe auf die Einwilligung Russlands, entlang der gesamten türkisch-syrischen Grenze eine 30 Kilometer tiefe Sicherheitszone in Syrien zu etablieren.
Der Iran versuche, über den Irak und Syrien eine strategische Verbindung zum Libanon bzw. zur libanesischen schiitischen Hisbollah herzustellen. Mit der iranischen Präsenz in Syrien fühle sich aber wiederum Israel direkt bedroht, weshalb das Land seit 2013 Luftangriffe auf iranische Ziele in Syrien durchführt. Das sei freilich nur möglich, wenn sich Israel vorher mit Russland abspricht. Das Engagement des Iran in Syrien habe zudem auch viele arabische Staaten veranlasst, ebenfalls im Krieg mitzumischen, um den Iran zu schwächen.
Veränderung ist möglich
Österreichs Botschafter in Syrien, Peter Krois, informierte in einem Hintergrundgespräch über die diplomatischen Bemühungen Österreichs, an einer Verbesserung der derzeit sehr schwierigen Situation im Land mitzuwirken. Er erlebe die Syrer als stolzes Volk, das sein Leben selbst in die Hand nehmen und seinen eigenen Lebensunterhalt verdienen will. Derzeit fehlten einem Großteil der Bevölkerung dazu aber die Mittel, so Krois. Daher brauche es mehr Hilfe zur Selbsthilfe und nicht nur humanitäre Nothilfe, wie sie bisher in Form von Nahrungsmittelpaketen und medizinischem Bedarf hauptsächlich geleistet werde.
Er sei jedoch überzeugt, dass die Situation nicht hoffnungslos sei und dass man nachhaltig etwas zum Besseren verändern könne, wenn man nur wolle, so Krois im Blick auf die internationale Staatengemeinschaft. Er hob in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der UNO bei der Unterstützung der Zivilbevölkerung in Syrien hervor. Die einseitigen restriktiven Maßnahmen gegenüber Syrien müssten laufend überprüft werden, um zu verhindern, dass sie die Falschen treffen. Seitens internationaler humanitärer Organisationen werde zudem beklagt, dass die geltenden humanitären Ausnahmen in der Praxis auch nach mehr als zehn Jahren schwer anwendbar seien und humanitäre Hilfe behindern würden.
Die Syrerinnen und Syrer wünschten sich ein Leben in Würde, dazu zähle auch eine neue Kultur des Respekts und der Mitverantwortung im Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Dies werde zwar Zeit brauchen, erste Schritte sollten aber schon jetzt beginnen. Ein positiver Schritt bei der Aufarbeitung des furchtbaren Krieges in Syrien sei die Generalamnestie von Ende April für bestimmte Vergehen im Rahmen dieses Krieges gewesen, deren Umsetzung jedoch noch verbessert werden sollte.
Österreich sei so weit wie möglich auf vielerlei Weise im Dialog mit Syrien, sowohl mit den Behörden als auch der Zivilgesellschaft. Jede Politik müsse sich letztlich daran messen lassen, ob sie zu einer Verbesserung der Lebensumstände der Menschen beiträgt, sagte der Botschafter.
Der Nahostexperte Krois ist seit rund einem Jahr in Syrien als Botschafter tätig. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Begleitung Kardinal Christoph Schönborns bei seinem Kurzbesuch in Syrien im Oktober 2021. Bei einem Besuch in der Küstenprovinz Tartous konnte sich Krois zudem von der Not der intern Vertriebenen ein Bild machen, deren Zahl die Bevölkerung der Stadt Tartous seit Jahren nahezu verdoppelt und die Infrastruktur der Stadt völlig überfordert.
Der Botschafter steht u.a. auch mit den kirchlichen Gemeinschaften im Land im steten Austausch. Im vergangenen Juni stattete er der Suppenküche der Franziskaner in Aleppo einen Besuch ab, wo rund 1.000 Mahlzeiten pro Tag an die notleidenden Menschen der nordsyrischen Metropole verteilt werden. In Aleppo wurde Krois von P. Ibrahim Alsabagh begrüßt und durch das Franziskanerkloster und die Suppenküche geführt. P. Alsabagh war ebenfalls in bei der ICO-Tagung zu Gast und informierte über den aktuellen Stand des Hilfsprojekts, das von der ICO finanziert wird.
Die in Linz ansässige Initiative Christlicher Orient (ICO) unterstützt seit mehr als 30 Jahren die Christen im Orient. Zahlreiche Hilfsprojekte werden jedes Jahr in Syrien, im Irak, im Libanon, in Palästina und in Jordanien umgesetzt. Laut Jahresbericht konnte die ICO 2021 insgesamt 93 Projekte mit einem Wert von gut 1,3 Millionen Euro realisieren. In Syrien waren es 30 Projekte mit einem Gesamtvolumen von mehr als 522.000 Euro.