Schulpastoral und Schulseelsorge im Fokus
Schulpastoral/Schulseelsorge: psycho-soziales Begleitangebot mit zunehmender Bedeutung
Ein immer wichtiger werdender Teil der Arbeit von Religionspädagog:innen ist die Schulpastoral oder Schulseelsorge. Die vertrauensvolle Begleitung und Unterstützung vor allem von Kindern und Jugendlichen über den Unterricht hinaus kann dabei ganz unterschiedliche Perspektiven einnehmen — je nachdem, welche Themen und Anlässe im Vordergrund stehen. Diesen vielfältigen Aspekten der schulischen Arbeit widmete sich am Donnerstag und Freitag eine zweitägige bundesweite Konferenz im oberösterreichischen Wels.
WELS | Mehr als 100 TeilnehmerInnen trafen sich am 27. und 28. April im Bildungshaus Schloss Puchberg zu einer österreichweiten Tagung, die unter dem Titel Bei dir ist die Quelle des Lebens (Ps 36, 10) Schulpastoral bzw. Schulseelsorge in den Blick nahm. Die ökumenische Tagung wurde gemeinsam veranstaltet vom Interdiözesanen Amt für Unterricht und Erziehung (IDA), der Österreichischen Ordenskonferenz und der Evangelischen Kirche in Österreich. Anton Birngruber, Leiter des Bischöflichen Schulamtes der Diözese Linz, sprach einleitende Grußworte. In Reflexionsrunden und Workshops setzen sich die TeilnehmerInnen anschließend mit Themen wie Tod und Trauer ebenso auseinander wie mit interkonfessionellen religiösen Feiern oder der Rolle und Aufgabe von Humor im schulischen Kontext. Eine "Zukunftswerkstatt" versuchte sich parallel an einem Ausblick auf mögliche künftige Entwicklungen — und stellte sich dabei durchaus kritisch der Diskussion über gegenwärtige Rahmenbedingungen und Möglichkeiten.
Acht Workshops lieferten Anregungen und "Tools"
Ein besonderer Schwerpunkt in Wels waren die verschiedenen Workshops, in denen die TeilnehmerInnen sich intensiv mit spezifischen Themen und Inhalten der Schulpastoral/Schulseelsorge auseinandersetzen konnten. Die inhaltliche Bandbreite war groß, auch die Formate boten einige Abwechslung. Bei Heinrich Schwertl etwa ging es um Krisen im Schulalltag. Der Religionspädagoge engagiert sich bei der ökumenischen Notfallseelsorge. Er plädierte eindringlich für eine Vorbereitung der Schulen auf verschiedenste Krisenfälle. Die Schulpastoral sieht er hier gefordert in ihrem Anspruch und Grundanliegen einer adäquaten Reaktion. Schwertl hatte zahlreiche Informationen und Hinweise im Gepäck — darunter weiterführende Hilfsangebote ebenso wie Vorlagen für Krisenpläne und handfeste Tipps für die Handhabung eines Krisenfalls.
Zwei Tagungskurse widmeten sich dem Thema Feiern: Das Verbindende stand bei Stefan Schlager und Murat Baser im Fokus. Das katholisch-muslimische Theologenteam präsentierte Grundkonzepte zum multireligiösen Feiern. Menschen aus unterschiedlichen Religionen können so aus ihrer jeweiligen Tradition heraus "Wertvolles zu einem gemeinsamen Anliegen einbringen", so Schlager und Baser. Für Schulpastoral und Schulseelsorge ging es in dem Kurs um konkrete Informationen und Anleitungen, um solche Feiern organisieren, planen und durchzuführen zu können. Im Workshop "Neue Gottesdienstformate", geleitet vom evangelischen Religionspädagogen Markus Gerhold, stand der gemeinsame Erfahrungsaustausch im Vordergrund. Die TeilnehmerInnen waren dazu aufgerufen, die eigene liturgische "Werkzeugbox" zu durchforsten und bei der Ausgestaltung ansprechender Gottesdienstentwürfe auch ruhig unkonventionelle Wege zu beschreiten.
Die Türe, die Angel und das Philosophieren
Schulpastoral umfasst auch niederschwellige Angebote wie das "Gespräch zwischen Tür und Angel". Im gleichnamigen Workshop behandelte die Religionspädagogin Sonja Danner von der KPH Wien/Krems nicht nur die theoretischen Grundlagen, sondern übte auch gleich die Praxis mit den teilnehmenden Interessierten. Den Mehrwert für die Schulpastoral sieht Danner dabei in der Selbstwirksamkeit. Das Kurzgespräch biete eine Kommunikationsform, in der Ratsuchende mit Unterstützung rasch selbst Lösungsansätze für ihre Problemstellung finden könnten, so Danner. Ebenfalls um Gespräche drehte sich der Workshop "Theologisieren und Philosophieren mit Kindern" von Jennifer Jakob von der KPH Wien/Krems. Hier geht es vor allem darum, Kinderfragen ernstzunehmen und gemeinsam mit ihnen mögliche Antworten zu erkunden. Dieses "Einüben einer theologisierenden und philosophierenden Haltung" eröffne einen Raum für die großen Fragen, der einlade zu weiteren Fragen und zum offenen Meinungsaustausch, so Jakob.
Raum für Tod und Trauer, aber auch für Humor
Die Religionspädagogin und Seelsorgerin Stefanie Zautner gab in ihrem Kurs dem schwierigen Themenpaar "Tod und Trauer in der Schule" Raum, um die TeilnehmerInnen in ihrer Kompetenz zu fördern, Betroffene im schulischen Kontext adäquat zu begleiten. Ihr Fokus lag auf der Rolle und Ausgestaltung von Ritualen, die in solchen Situationen Halt und Struktur geben können. Heimo Thiel wiederum, freischaffender Clown und Künstler, nahm sich in seinem Workshop des Humors an. Zum Einstieg gab es erwartungsgemäß sehr viel Gelächter. Mit ein bisschen theoretischem Einblick ging es danach etwa um humorvolles Scheitern, aber auch um praktische Anwendungsmöglichkeiten z. B. in Form von passenden Spielen. Humor und Lachen, so Thiel, könnten verbinden und Spannungen lösen. Damit sei auch seelsorgliches Handeln leichter — und nicht zuletzt auch fröhlicher.
Eine "Zukunftswerkstatt" mit Ausblick und Visionen
Durchaus kritische Töne kamen aus einem speziellen Workshop mit dem programmatischen Titel "Zukunftswerkstatt", der vom Religionspädagogen Martin Jäggle von der Universität Wien begleitet wurde. Die fehlende rechtliche und strukturelle Anerkennung der Arbeit sowie mangelnde Zeitressourcen, dies führe leicht zur Überforderung der Beteiligten. Die Schaffung eines Stundenkontingents für schulseelsorgliche Begleitungsangebote insbesondere an den konfessionellen Schulen, einhergehend mit speziellen Qualifizierungs- und Professionalisierungskonzepten, sei ein dringliches und längst überfälliges Anliegen — so der Konsens der TeilnehmerInnen. Schulseelorge dürfe nie isoliert betrachtet werden und müsse differenzsensibel sein, mahnte Jäggle ein. In Zusammenarbeit mit SchulpsychologInnen und -sozialarbeiterInnen und Krisenverantwortlichen sollte sie Teil eines Care-Teams sein. Zudem gehe es in der Schulseelsorge immer auch um die Gestaltung einer inklusiven Schulkultur und damit um Schulentwicklung. Damit sei sie auch nicht nur Aufgabe der ReligionspädagogInnen und betreffe alle Mitglieder der Schulgemeinschaft.
Schule als "Brennglas" für die Gesellschaft
Zum inhaltlichen Abschluss der Tagung diskutierten am Freitag Ingrid Bachler, Geistliche Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche in Österreich, Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl, die Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz Sr. Christine Rod und Martin Jäggle auf dem Podium. Moderiert von der Theologin und Journalistin Monika Slouk sprachen die DiskutantInnen über ihre persönlichen Bezüge und Zugänge zum Thema Schulpastoral/Schulseelsorge. Für Ingrid Bachler etwa geht es darum, für SchülerInnen und PädagogInnen gleichermaßen dazusein. "Schulseelsorge bedeutet, die ganze Schule mitzumeinen", so Bachler. Die Oberkirchenrätin hat selbst rund 30 Jahre lang unterrichtet und als Schulseelsorgerin gearbeitet; danach war sie als Fachinspektorin in den Schulen unterwegs. Den regelmäßigen Kontakt zu den jungen Menschen in den Bildungseinrichtungen sieht sie nach wie vor als großes Plus der Schulseelsorge. So seien die Pfarrerinnen und Pfarrer in Kontakt mit den jungen Menschen und genauso die jungen Menschen in Kontakt mit ihrer Kirche.
Christine Rod sieht Schule als "Brennglas für gesellschaftliche Entwicklungen". Die Fragen, die sie umtreiben: "Was geschieht mit Kirche? Was geschieht mit Gesellschaft? Was geschieht mit den Menschen? Alle Nöte und Freuden verdichten sich in der Schule", so Rod. Sie forderte zugleich mehr Selbstbewusstsein für Spiritualität als einen Inhalt der Schulpastoral. Insbesondere angesichts des aktuellen "Spiritualitätsbooms" rief sie dazu auf, Spiritualität offen zu thematisieren. Dabei gehe es nicht um aufdringliche Missionierung. Rod zufolge liegt in den Handlungsspielräumen von Schulpastoral und Schulseelsorge vielmehr eine Chance für die Zukunft — gerade vor dem Hintergrund einer "auf Leistung und Erfolg getrimmten Gesellschaft".
Inklusion als Thema, Schule als "Ort der Humanität"
Wilhelm Krautwaschl sprach ein vor dem Hintergrund der Teuerung durchaus aktuelles Thema an: Inklusion an Katholischen Privatschulen (KPS), die — via Schulgeld — auch eine soziale Komponente hat. Hier sieht er deutlichen Diskussionsbedarf für die KPS. Clemens Paulovics, Bildungsbereichsleiter der Österreichischen Ordenskonferenz, forderte in einer Wortmeldung, Kinder- und Jugendpastoral müsse sich gegenwärtig und zukünftig mehr und mehr in die Schulen verlagern – auch ressourcenmäßig. Der Religionspädagoge Martin Jäggle plädierte für eine breitere Perspektive: "Die Fokussierung alleine auf den Religionsunterricht ist eine Sackgasse", lautete sein kritisches Fazit. Vielmehr solle Schule insgesamt ein Ort der Humanität sein, es gehe systemisch um die Schule ans Ganzes. "Doch auch in der bestmöglichen Schule gibt es Bedarf für Schulpastoral und Schulseelsorge", schloss der Religionspädagoge versöhnlich.
Resümee: Einblicke, Möglichkeiten und Herausforderungen
Die Organisatoren der Veranstaltung zogen im Rückblick eine positive Bilanz: "Die Tagung hat Einblick gegeben in die große Bandbreite der Schulpastoral und Schulseelsorge und vor allem auch Möglichkeiten und Herausforderungen im positiven Sinn aufgezeigt ", lautete das sehr zufriedene Resümee von Marie-Theres Igrec, Privatschulreferentin des IDA für Österreich. Über "ganz viel Begegnung" sowie "Zeit für gemeinsames Feiern und spirituelle Impulse" freute sich Anne-Kathrin Wenk, Referentin für Schul- und Bildungsfragen der Evangelischen Kirche in Österreich. Die Tagung habe den Rahmen für ein sehr respektvolles Miteinander geboten und für einen Austausch, der die aktuelle Praxis der Schulseelsorge und Schulpastoral positiv als auch kritisch reflektiert habe, so Wenk. Clemens Paulovics von der Österreichischen Ordenskonferenz sah die Tagung als "Startschuss für eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Schulpastoral". Dies belege das große Interesse an der "Zukunftswerkstatt" und die Bereitschaft der TeilnehmerInnen, auch über die Veranstaltung hinaus an diesem Thema dranzubleiben.
Österreichische Ordenskonferenz
Evangelische Kirche in Österreich